Die Unternehmerfamilie in der Zeit nach der Betriebsübernahme – Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer
Ich kenne Thomas aus einem gemeinsamen Coachingprozess mit seinem Bruder und seinen Eltern. Damals arbeitete die Unternehmerfamilie mit meiner Unterstützung an einem Konzept und der Umsetzung der Unternehmensnachfolge. Heute – ein gutes Jahr nach der Nachfolge – sind beide Brüder geschäftsführende Gesellschafter des Speditionsunternehmens. Thomas in Hamburg, sein Bruder in München.
Thomas kommt zu mir mit dem Anliegen, sein Arbeitsverhalten zu verändern. Drei Monate zuvor zog er, seinen Erzählungen zu folge, kurz vor einem körperlichen Zusammenbruch die „Reißleine“ und machte mit seiner Familie sechs Wochen Urlaub. Und das obwohl er in der Firma dringend gebraucht wurde mitten im Hochsommer als Urlaubsvertretung in der Disposition, als Aufsicht für den Bau der neuen Lagerhalle, als Bankbevollmächtigter, dafür, das Klopapier zu besorgen… als “Mädchen für alles“.
Nun fragt er sich, wie er da wohl hingeraten konnte, in diese Situation, in der nur noch Reaktion statt Aktion möglich war, in der ihm jegliche unternehmerische Weitsicht und unternehmerisches Handeln verloren gegangen war.
Wir erstellen einen Zeitstrahl und es wird deutlich, was im Frühjahr des Jahres den Auslöser für seinen selbstausbeutenden Arbeitseifer gewesen war: sein erstes großes und weitreichendes Projekt als Geschäftsführer wurde auf den Weg gebracht. Der Startschuss für das Bauprojekt einer Lagerhalle, das die Weichen für die Entwicklung eines neuen Geschäftsbereichs der Spedition stellt.
Was war geschehen? Bekam Thomas Angst, sein Projekt könnte scheitern? Hatte er wirklich alles bedacht und antizipiert? Hatte sich die Geschäftslage dramatisch verändert? Gab es liquide Engpässe? Oder gab es Zweifel der Mitarbeiter? Standen sein Vater und sein Bruder hinter der Entscheidung? … Viele Möglichkeiten und im Coaching kristallisiert sich eine als die entscheidende heraus: Thomas zweifelt an sich selbst und jede noch so kleine Kritik und skeptische Äußerung seiner Familie oder seiner Mitarbeiter reißt ein weiteres Loch in sein instabiles Selbstbewusstsein. Und er reagiert mit dem einzigen Muster, das ihm zur Verfügung steht: sich über viel Arbeit abzulenken und sich Sicherheit als „fleißiger Mitarbeiter“ zu verschaffen.
Aber woher rühren seine Zweifel und Unsicherheiten? Er hatte alles genau bedacht. Kalkuliert. Den Markt analysiert. Antizipiert. Organisiert. War sich seiner Verantwortung durchaus bewusst. Oder war es genau diese Last der Verantwortung, die auf ihm lag? Sieht er in sich selber doch eher die Fachkraft Spedition, die die Aufgaben abarbeitet, als den kompetenten, verantwortungsvollen Geschäftsführer? Hier liegt der Hase im Pfeffer. Das spüre ich im Coaching und dies spürt Thomas sehr deutlich, als er es ausspricht. Die Frage steht im Raum: Was macht eigentlich einen Unternehmer aus und bin ich das überhaupt?
Ein Kollege – Stefan Merath* – bringt es auf den Punkt: Die Fachkraft arbeitet im Unternehmen. Unternehmer arbeiten nicht im, sondern am Unternehmen. Er zählt sieben Aufgabenbereiche des Unternehmers auf von denen hier sechs relevant sind:
- Vision und Werte
- Strategie und Positionierung
- Externe Energie und Wachstum
- Permanente „Müllentsorgung“
- Umsetzung sichern
- Entwicklung der Unternehmerpersönlichkeit
Thomas hat durchaus das Zeug zum Unternehmer. Dies hat er mit der strategischen Entscheidung zum Bau der Lagerhalle bewiesen. Damit ist er dabei, den Zweck des Unternehmens zu verändern und eine neue Vision zu entwickeln. Der Bau der Halle richtet das Speditionsunternehmen eindeutig neu aus und erfordert eine Neupositionierung im Markt. Jetzt gilt es, die Resonanz der Kunden und Mitarbeiter als externe Energie aufzunehmen und die Nachfrage nach Lagerhaltung und Just-In-Time-Lieferung abzugreifen, um das Wachstum zu fördern. Gleichzeitig müssen die Prozesse des Unternehmens beleuchtet und bereinigt werden, damit der Weg für neue Abläufe frei wird. Schließlich gilt es, diese neuen Prozesse umzusetzen und abzusichern.
Und Thomas muss sich bewusst machen, dass das Unternehmen ein Spiegel seiner Unternehmerpersönlichkeit ist. Beide können sich nur gemeinsam entwickeln. Wenn das Unternehmen wächst, hat der Unternehmer zwei Möglichkeiten. Entweder er wächst mit und hat Erfolg. Oder das Unternehmen wächst dem Unternehmer über den Kopf und er geht unter.
Thomas hat gewählt. Mit dem sechswöchigen Ausstieg im Sommer hat er sich für die Entwicklung seiner Persönlichkeit und seines Unternehmens entschieden. Im Coaching werden wir gemeinsam daran arbeiten.
*Literaturtipp: Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer – Wie Sie und Ihr Unternehmen neue Dynamik gewinnen, Stefan Merath, Gabal-Verlag 2008
Hier finden Sie mehr Infos für NachfolgerInnen vor und nach der Betriebsübernahme: Als Nachfolger oder Nachfolgerin aus der inneren Stärke handeln.