Wolfgang, Elektro-Meister, hat seine Firma vom Garagenbetrieb zu einem großen, europaweit agierenden Unternehmen der Alarm- und Sicherheitsbranche ausgebaut. Er will die Firma in eine AG umwandeln lassen. Sein Sohn Martin hat ebenfalls den Meisterbrief und ist seit sieben Jahren als Assistenz des Vaters im Betrieb tätig. Er strebt einen der drei Vorstandsposten an und hat daher einige Seminare zum Thema Management und Führung besucht. Das Strategiegespräch mit der Bank steht an, Martin sieht dem Treffen freudig entgegen.
Doch dann läuft alles anders als er es erwartet: Als der Banker die Besetzung des Vorstandes besprechen will, schneidet der Vater seinem Sohn das Wort ab: „In meinem Vorstand brauche ich Vollprofis. Studierte Leute mit Erfahrung im Ausland. Ich weiß, wovon ich rede. Ein Elektro-Meister kann so etwas nicht“. Martin ist enttäuscht und wütend und versteht die Welt nicht mehr.
Worum gehts? Als Vater hat Wolfgang seinen Sohn in die Firma geholt, damit dieser sich beruflich entwickeln kann. Nun ist die Firma stark gewachsen, die Verhältnisse haben sich geändert. Als Vater wäre Wolfgang stolz, Martin im Vorstand zu haben. Als Unternehmer weiß er aber, dass ihm dazu die Qualifikation fehlt.
… wirklich? So lange keine Notwendigkeit vorlag, hat Wolfgang darüber mit dem Junior nie gesprochen. Schließlich fällt es auch nicht leicht, sein Kind so vor den Kopf zu stoßen. Das Problem wurde tagtäglich vor sich her geschoben, Gelegenheiten verpasst, Entscheidungen hinausgezögert. Der Konflikt wurde übersehen – noch schlimmer – tabuisiert. Bis er aufbrach.
Wie geht’s weiter? Es gilt die Rollenvermischung Vater-Unternehmer und Sohn-Nachfolger aufzulösen. Wolfgang könnte seinem Sohn die beiden Seelen in seiner Brust offenbaren. Als Vater: „Es wäre toll, wenn ich mit dir im Vorstand zusammen arbeiten könnte“. Als Unternehmer: „Du wirst nicht im Vorstand arbeiten, dies ist eine Nummer zu groß für dich“.
Tipp: Trennen Sie aktiv die Rollen, die Sie im Unternehmen einnehmen, von Ihrer Rolle als Familienmitglied – in Gedanken und im Gespräch. Denn die beiden Welten im Familienunternehmen sind grundverschieden. Mit dieser Klarheit nehmen Sie der Kommunikation den Nährboden für Tabus, Kränkungen, Enttäuschungen, Anmaßung und Entfremdung.